Ein politisch Lied, ein garstig Lied,
so dachten die Dichter mit Goethen
und glaubten, sie hätten genug getan,
könnten sie girren und flöten !
Von Nachtigallen, von Lieb und Wein,
von blauen Bergesfernen
von Rosenduft und Lilienschein,
von Sonne, Mond und Sternen
doch anders dachte das Vaterland,
das will von der Dichterinnung
keinen verbrauchten Leiertand,
und keine biedere Gesinnung
Ein politisch Lied, ein garstig Lied,
so dachten die Dichter mit Goethen
und glaubten, sie hätten genug getan,
könnten sie girren und flöten !
Ich sang nach alter Sitt und Brauch
von Mond und Sterne und Sonne
von Wein und Nachtigallen auch,
von Liebeslust und Wonne
Da rief mir zu das Vaterland,
Du sollst das Alte lassen
den alten verbrauchten Leiertand,
du sollst die Zeit erfassen
Ein politisch Lied, ein garstig Lied,
so dachten die Dichter mit Goethen
und glaubten, sie hätten genug getan,
könnten sie girren und flöten !
Denn anders geworden ist die Welt,
es leben andere Leute
was gestern noch stand, schon heute fällt,
was gestern nicht galt, gilt heute
Und wer nicht die Kunst in unserer Zeit,
weiß gegen die Zeit zu richten
der werde nun endlich beizeiten gescheit
und lasse lieber das Dichten.
Ein politisch Lied, ein garstig Lied,
so dachten die Dichter mit Goethen
und glaubten, sie hätten genug getan,
könnten sie girren und flöten !
Text: Hoffmann von Fallersleben
Musik: Michael Zachcial
in: Deutsche Lieder aus der Schweiz
Geschrieben am 15. Juni 1842, veröffentlicht in: Deutsche Lieder aus der Schweiz – wir haben nur einen Satz umformuliert,
schon war der Text wieder hochaktuell: „keine biedere Gesinnung“ hieß im Original „nur biedere Gesinnung“, also das Gegenteil, aber damals verstanden die unter bieder auch was anderes